Vom Hyper-Social-Media und den menschlich-virtuellen Agenten

Ein Interview mit Steffen Meier, dem Verlagsleiter Online im Verlag Eugen Ulmer.

 

12.11.2010 14:38 Autor hat Bild/Erlaubnis von Steffen Meier via E-Mail erhalten

Herr Meier, Sie sind seit 10 Jahren beim Verlag Eugen Ulmer und derzeit für den Bereich Online verantwortlich. Was genau sind Ihre Aufgaben?
Man muss vorausschicken, dass wir für einen mittelständischen Verlag einen relativ großen Bereich Online auch mit einer eigenen Anwendungsentwicklung haben. Meine Aufgaben sind: a) Digitalisierung des Verlages, d.h. die Verlagsprozesse und Produkte sowie Services digital abzubilden, b) Dienstleister im Bereich Web/Mobile für Zielgruppen, auch Verlage BtoB c) Entwicklung neuer digitaler Geschäftsfelder und Forschung/Entwicklung

Ihr großer Online-Bereich interessiert mich genauer. Glauben Sie, dass die Zukunft der Verlagsbranche im Online-Segment liegt bzw. wird es einen kompletten Wandel hin zu elektronischen Medien geben?
Nein. Ein entweder-oder wird es sicher nicht geben. Insofern halte ich die Diskussion “Print stirbt – oder nicht” für Unfug. Aber die Auswahl an Mediengeräten nimmt zu, und Verlage müssen für diese jeweiligen Kanäle und Nutzungssituationen Inhalte und Services entwickeln. Ganz platt ausgedrückt: wenn 20% meines Umsatzvolumens in Online, Mobile oder sonst wohin abwandert, muss ich als Unternehmen mitziehen – oder eben mit 80% (etwa im Print-Kerngeschäft) glücklich werden.

Was glauben Sie, welche Rolle dabei Web-Anwendungen wie Facebook, Twitter und Co. übernehmen? Werden diese Anwendungen über- oder eher unterschätzt?
Facebook, Twitter und Co. sind Kommunikationskanäle. Viele Unternehmen, lustigerweise vor allem solche aus der Kommunikations- und Medienbranche, haben eher Bedenken, diese zu nutzen, da sie massive Auswirkung auf die (End-)Kundenkommunikation haben. Das Thema wurde so hochgehypt, dass man von Über- oder Unterschätzen sprechen könnte. Es ist aber eher die Sorge, was denn da auf einen zukommt.
Immerhin übernimmt beispielsweise bei Buchverlagen der Sortimenter traditionell die Endkundenkommunikation. Nun besteht auf einmal potentiell die Möglichkeit, mit der Zielgruppe direkt zu interagieren. Das überfordert viele.

Welche Chancen räumen Sie dem E-Reader mit E-Ink Technologien ein? Glauben Sie dass Tablets, oder genauer das iPad, besser platziert ist?
Auch hier gibt es kein entweder-oder, sondern nur unterschiedliche Nutzungssituationen. E-Reader werden weiterhin als digitale Lesegeräte ihren Markt haben, während Smartphones (ich subsummiere frecherweise das iPad darunter) eher gerätespezifische Eigenschaften (Localbased Services, Multimedia etc.) nutzen. Vielleicht wächst das Ganze auch irgendwann zusammen. Momentan ist es aber so, dass E-Reader für längeres Lesen, Smartphones a la iPhone resp. iPad eher für Informationshappen und Kollaboration im Hintergrund (Social Media, Vernetzung) sowie Multimedia geeignet sind.
Etwas anderes ist, was Verlage daraus machen – momentan sind wir in einer Situation, in der eigentlich Printprodukte mehr oder weniger 1:1 auf diese Endgeräte übertragen werden. Das funktioniert aber (so sehr ich Verständnis dafür habe, weil oft KnowHow und Workflow fehlt) nur temporär und begrenzt.

Welches Buch liegt derzeit auf Ihrem Nachttischschrank? Digital oder Print?
Ein ganzer Stapel Print-Bücher – und obendrauf das iPad.

Wagen Sie einen Blick in die Glaskugel. Was wird der neue Mark Zuckerberg machen bzw. was kommt nach Facebook? Nennen Sie uns ihre zukünftige (gern verrückte) Prognose?
Der neue Mark Zuckerberg wird menschlich-virtuelle Agenten anbieten, die es mir erleichtern, mit all den vielfältigen Informationen und Anregungen in einem sinnvollen Zeitrahmen umzugehen und er wird ein Hyper-Social-Media bauen, das alle bisher wild verstreuten Kanäle vernünftig aggregiert. Dann hat er einen Freund, nämlich mich.

Wie war es für Sie ein Interview via Facebook-Chat zu führen? Ich meine wir haben uns noch nie gesehen oder gehört. Ist das normal?
Es ist zwar mein erstes Facebook-Chat-Interview, per Skype habe ich das aber auch schon öfters gemacht. Ich finde weder daran etwas, noch dass ich mein Gegenüber vorher noch nie gesehen/gehört habe. Onliner haben ja auch ein Stückweit Bits und Bytes im Blut. Aber der Wunsch, den oder diejenige irgendwann kennenzulernen, und zwar persönlich, ist völlig menschlich und normal, deswegen haben SocialMedians ja oft auch den Drang zu Twittertreffen, Twittagessen oder anderen Events. Auch hier: Kein entweder-oder, im günstigsten Fall ein sinnvolles mit- und nebeneinander.

Die Fragen stellte Daniel Winkler

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[www.twitter.com | Steffen Meier | 06.12.2010 07:32]

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[www.xing.com | Steffen Meier | 06.12.2010 07:39]

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