„Der Frust über die Zusammenarbeit staute sich schon länger auf“ – Interview mit Christopher Schroer, Teil 1

Amazon ist bekannt für einegroße Auswahl und schnelle Lieferung, die Zufriedenheit des Kunden hat oberste Priorität. Doch genau deshalb gerät der Online-Großhändler immer wieder in die Kritik, denn hinter den Kulissen wird viel in Kauf genommen, um diesem Anspruch gerecht zu werden. Anfang 2013 wurde über die Amazon-Leiharbeiteraffäre berichtet. Für Christopher Schroer, Verleger im nordrhein-westfälischen Lindlar, nur einer von vielen Gründen, die Zusammenarbeit mit Amazon in einem offenen Brief an Jeff Bezos zu beenden (nachzulesen im Börsenblatt des Deutschen Buchhandels vom 15.02.13, „Wir ziehen Konsequenzen“). Darum habe ich Christopher Schroer einige Fragen gestellt. Im heutigen ersten Teil des Interviews geht es um seine Zusammenarbeit mit Amazon:

Christopher Schroer

Was war für Sie das entscheidende Argument für die Kündigung Ihrer Zusammenarbeit mit Amazon?
“Es gibt kein entscheidendes Argument. Der Frust über die Zusammenarbeit staute sich schon länger auf. Da wären z.B. die dauerhaft beschädigten Remittenden zu nennen, oder Remissionen an einem Tag, Nachbestellung des remittierten Artikels am nächsten Tag, der hohe Rabatt von 50%+5% (Anm. d. Red.: 50% Rabatt, 5% Lagerkosten sogar  für Durchlaufposten), die Steuervermeidung in Deutschland usf.. Die Berichterstattung über die Arbeitsbedingungen hat mich lediglich meinen Entschluss, die Zusammenarbeit mit Amazon aufzukündigen, vorziehen lassen.”

Welche Vor- und Nachteile ergeben sich für Sie, wenn Sie keine Ware mehr über Amazon vertreiben?
“Grundsätzlich muss ich klarstellen: Unsere Titel sind immernoch über Amazon erhältlich. Das liegt daran, dass Amazon diese, statt beim Verlag, nun über den Zwischenbuchhandel (Libri, KNV, Umbreit) bezieht. Vor einem Jahr hatte ich bei der Aufkündigung nicht gedacht, dass Amazon dies tun würde und zumindest angenommen, ich könnte die Auslieferung über den Zwischenbuchhandel ebenfalls stoppen. Jedoch ist das aus kartell- und wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht möglich: Ich kann also dem Zwischenbuchhandel nicht »verbieten« an Amazon zu verkaufen. Dass Amazon meine Titel dennoch für »würdig« für seinen Katalog erachtet, erstaunt mich. Aber so ist es.

Nachteile als solches kann ich nicht benennen. Aber dieser Schritt zeigt einen Schwachpunkt im System »Amazon« auf: Während ich als Zulieferer früher direkt bewertet wurde, u.a. über die Lieferzeit, hat nun Amazon selbst Probleme, Titel zügig zu beschaffen. Es kann also sein, dass ein Titel über amazon.de eine Lieferzeit von 14 Tagen (!) hat, jedoch im stationären Buchhandel ausliegt. Ein Paradoxon!
Dieser Lieferzeit-Nachteil ist ein Vorteil für den Buchhändler. Und es ist auch ein Vorteil, dass Amazon vermutlich nun handelsübliche Rabatte eingeräumt bekommt, und nicht die diktierten 50%+5%.”

Der zweite Teil des Interviews folgt am 14.03.14. Darin habe ich Christopher Schroer zu alternativen Vertriebswegen und Zukunftsaussichten für die Buchbranche befragt – und spannende Antworten bekommen.

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