Netzwerken statt Fischen mit grobem Netz – Ein Interview mit Personalberaterin Sabine Dörrich über Bewerbung und Berufseinstieg in der Verlags- und Medienbranche

Worauf kommt es im Bewerbungsgespräch an? Mit welchen Qualifikationen können Nachwuchskräfte bei Verlagen aktuell punkten? Wie macht man den Personaler des Wunschverlags auf sich aufmerksam? Verlage der Zukunft führte mit Sabine Dörrich ein Gespräch über die Anforderungen, die in der Verlags- und Medienbranche an den Nachwuchs gestellt werden und die Hürden, die junge Nachwuchskräfte bei einer Bewerbung nehmen müssen, um erfolgreich zu sein. Sabine Dörrich ist Personalberaterin und Geschäftsführerin der gleichnamigen Personalagentur, die sich auf die Vermittlung von Fachkräften für die Verlags- und Medienbranche spezialisiert hat. Beim diesjährigen Speed-Meeting auf der Frankfurter Buchmesse unterstützt sie Verlage der Zukunft bei der Bewerberauswahl und ist als Teilnehmerin auf Unternehmensseite mit von der Partie.

Verlage der Zukunft veranstaltet dieses Jahr wieder ein Speed-Meeting auf der Frankfurter Buchmesse, bei dem sich Bewerber gegenüber potenziellen Arbeitgebern darstellen können. Um sonst einen Fuß in die Branche zu bekommen, heißt es fleißig Bewerbungen schreiben. Frau Dörrich, worauf muss man als Bewerber bei einem Bewerbungsschreiben in der Buch- und Medienbranche besonders achten? Gibt es so etwas wie die „perfekte“ Bewerbung?

Nein, die perfekte Bewerbung gibt es nicht. Es gibt nur die perfekte Bewerbung für ein bestimmtes Unternehmen. Natürlich muss die Bewerbung bestimmten Standards entsprechen, die man in Dutzenden von Ratgebern nachlesen kann. Die Bewerbung als Ganzes soll gefällig aussehen, eine komplette Auflistung und Nachweise der beruflichen Stationen enthalten, muss aussagekräftig, optisch einwandfrei und frei von Rechtschreibfehlern sein. Das ist im Grunde genommen eine allseits bekannte Standardvoraussetzung, aber man darf nicht glauben, dass diese tatsächlich von jedem eingehalten wird. Rechtschreibfehler und schlechte Formulierungen sind gerade in unserer Branche, die mit dem geschriebenen Wort zu tun hat, natürlich ein ganz gewaltiger Minuspunkt.

Beim Speed-Meeting haben die Bewerber nur acht Minuten Zeit, um zu überzeugen. Worauf kommt es bei solch einem kurzen Bewerbungsgespräch, aber auch generell in einem Bewerbungsgespräch an? Worauf achten Personaler oder auch Sie besonders?

Diese acht Minuten sind natürlich eine wahnsinnig kurze Zeit. Und trotzdem reicht sie, um doch einen zumindest intuitiven Einblick in die Persönlichkeit des Gegenübers zu gewinnen. Die acht Minuten werden natürlich nicht Raum bieten für eine sehr gründliche Analyse der fachlichen Qualifikationen des Gesprächspartners oder der Gesprächspartnerin – dies tun die Bewerbungsunterlagen in sehr viel umfangreicherer Form. Aber dieser persönliche Eindruck, den man in der kurzen Zeit gewinnen kann, sagt zumindest etwas Grundlegendes über den Gesprächspartner aus. Also z.B. wie offen und sympathisch präsentiert er sich, wirkt er unverkrampft, unverstellt oder ist er sehr schüchtern, sehr zurückgenommen, sodass es relativ schwierig ist, mit ihm in eine flüssige Kommunikation zu kommen. Aus dem Auftreten und aus der aktiven Gesprächsbeteiligung kann man sicherlich schon ein Stück weit ablesen, ob oder wie jemand auf Aufgaben zugehen würde: Ist es jemand, der seine Stärke eher im Analytischen hat, sich vielleicht erst mal in Ruhe mit einer Aufgabe auseinandersetzt; oder ist es jemand der sehr zupackend, sehr spontan agiert, usw. Diese Informationen sind jedoch nicht per se gut oder schlecht, sondern können immer nur bezogen auf eine konkrete Firma oder einen bestimmten Bedarf innerhalb einer Abteilung gesehen werden. So müssen auch etwas schüchterne Menschen nicht gleich befürchten, ins Abseits gedrängt zu werden, weil sie nicht ganz so offensiv auftreten können. Sie haben andere Stärken und es kommt darauf an, dass sie am richtigen Arbeitsplatz produktiv eingesetzt werden.

Dass man zu einem Gespräch natürlich in einigermaßen gepflegter Kleidung erscheint und dass man sich auch aktiv am Dialog beteiligt, setze ich jedoch voraus. Ich erlebe gerade bei jungen Nachwuchskräften, dass sie sich oft zu passiv verhalten, weil sie aufgeregt oder ein bisschen unsicher sind. Das halte ich für verständlich, ist aber nicht wirklich zielführend. Man muss sich nicht verstellen und plötzlich jemand anderes sein, wenn man ein Gespräch führt. Man sollte auch nicht schauspielern, sondern authentisch bleiben. Und man darf auch aufgeregt sein – das ist überhaupt gar kein Problem. Jeder Personalentscheider kennt diese Situation und findet es eher sympathisch, wenn ein junger Mensch nicht völlig cool dasitzt und so tut, als hätte er schon hundert Gespräche dieser Art geführt. Es ist gar kein Problem, ein bisschen nervös zu sein und auch keine Katastrophe, mal den Faden zu verlieren. Dennoch sollte die junge Nachwuchskraft Mitverantwortung für den Verlauf und das Gelingen des Gesprächs übernehmen. Das heißt, nicht einfach nur einsilbig mit Ja und Nein auf Fragen antworten, sodass immer wieder nachgehakt werden muss. Sondern selber aktiv Fragen stellen, ausführlichere Antworten geben, etwas über sich erzählen, nicht nur passiv agieren.

Die richtigen fachlichen und auch persönlichen Qualifikationen sind ja ein wichtiger Faktor bei einer Bewerbung. Welche Qualifikationen werden bei einer Bewerbung von Unternehmen der Buch- und Medienbranche von Nachwuchskräften aktuell besonders verlangt, sowohl fachlich als auch persönlich?

Die generelle Klammer bei all den unterschiedlichen Funktionen und Aufgabengebieten in Verlagen und Medienunternehmen ist bei jungen Menschen eine große Aufgeschlossenheit gegenüber den digitalen Medien. Wir wissen, dass sich die Verlagsbranche im Umbruch befindet, dass das Prinzip Buch zwar nach wie vor Leitmedium ist, aber dass die digitalen Angebotsformen in einer noch nicht bestimmbaren Zeit – ob fünf Jahre, ob zehn Jahre – sicherlich einen deutlich höheren Umsatzanteil haben werden. Dies erfordert natürlich bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sowohl in der technischen Produktion wie auch im Bereich Lektorat/Redaktion/Content Management und auch im Vertrieb – also im Grunde genommen in allen Abteilungen eines Verlages – neue Qualifikationen, die noch im Aufbau sind.

Von jungen Nachwuchskräften wird daher nicht unbedingt verlangt, dass sie die absoluten „Nerds“ sind und sich in den digitalen Medien bestens auskennen. Weil das Buch nach wie vor einen großen Stellenwert hat, wäre das momentan auch nicht richtig. Aber man verlangt einfach eine mentale Aufgeschlossenheit und medienübergreifendes Denken: Beispielsweise im Lektorat die Phantasie oder auch das Vermögen, sich vorzustellen, wie man bestimmte Inhalte in unterschiedlichen Medienformen optimal aufbereitet. Dies ist auf jeden Fall wichtig und gehört inzwischen durchaus regelmäßig mit zu den Stellenprofilen, die wir hier bei uns vorliegen haben.

Bei welchen Berufsbildern bestehen jetzt also Ihrer Meinung nach der höchste Bedarf und damit auch die besten Einstiegsmöglichkeiten? Wäre das dann genau dieser digitale Bereich? Und was ist mit allen anderen klassischen Bereichen?

Wir befinden uns wie gesagt in einem Entwicklungsprozess und können zwar einen Ist-Status definieren, aber nicht genau sagen, was in fünf oder zehn Jahren sein wird. Die Mehrheit der im Moment zu besetzenden Stellen zielt noch auf konventionelle Aufgabengebiete ab. Wenn z.B. in einem Publikumsverlag ein Vertriebsassistent oder eine Vertriebsassistentin gesucht wird, so wird diese/r im Moment noch schwerpunktmäßig mit den klassischen Vertriebswegen eines Publikumsverlags, d.h. dem Sortiments- und Internetbuchhandel sowie manchen Nebenmärkten, zu tun haben und es wird im Schwerpunkt sicherlich um den Vertrieb von Büchern gehen. Aber die Verlage stellen sich um. Sie produzieren zunehmend mehr E-Books und andere digitale Formate und erschließen sich neue Absatzwege. Zwar haben sich dadurch die Arbeitsfelder im Verlag noch nicht revolutionär verändert bzw. besitzen die klassischen Berufsprofile noch immer weitgehend Gültigkeit, aber das Ganze kann in einigen Jahren anders aussehen. Deshalb muss bei der jungen Nachwuchskraft eine große Weiterbildungsbereitschaft und persönliche Flexibilität vorhanden sein.

Als Quereinsteiger in die Branche zu kommen ist ja nicht unüblich. Denken Sie, dass die Einstiegschancen für Quereinsteiger schlechter sind, als etwa für Studenten branchennaher Studiengänge, wie Buchwissenschaft oder Verlagswirtschaft, oder ist es gar anders herum?

Ich habe den Eindruck, dass sich der Focus der Personalentscheider/Innen in den Verlagen tatsächlich stärker auf die Absolventen der buchwissenschaftlichen Studiengänge richtet. Das bedeutet jedoch nicht, dass beispielsweise die junge Germanistin keine Chancen hätte. Schließlich müssen sowohl die Buchwissenschaftler wie auch die klassischen Geisteswissenschaftler in der Regel nach ihrem Examen zunächst einmal ein einjähriges Volontariat machen, um sich Berufspraxis anzueignen. Aber ein Buchwissenschaftler oder eine Buchwissenschaftlerin kann sich sehr viel schneller in diesen Verlagskontext einfinden, weil vieles aus der Theorie oder aus begleitenden Praktika bekannt ist. Doch auch die Hochschulabsolventen anderer Studiengänge haben in der Regel studienbegleitende Praktika absolviert oder vielleicht sogar zuvor eine Ausbildung im Buchhandel gemacht. Viele Wege führen also nach Rom!

Und was würden Sie dann solchen Quereinsteigern empfehlen, wenn man in der Branche Fuß fassen will?

Ganz wichtig ist natürlich, dass man (zumindest ein bisschen) Berufspraxis hat. Das heißt auf jeden Fall studienbegleitende Praktika machen – vier bis sechs Wochen mehrfach in einem Verlag oder im Buchhandel hospitieren, sich das einfach mal anschauen, und damit auch selber die eigene berufliche Entscheidung absichern und Kontakte sammeln. Das sind die klassischen Wege, wie man im Anschluss an das Examen vielleicht zu einem Volontariat kommt, möglicherweise gar zu einer befristeten oder unbefristeten Festanstellung.

Viel wichtiger finde ich jedoch, dass man sich nicht einfach nur „passiv“ dem Arbeitsmarkt anbietet. Viele Möglichkeiten ergeben sich durch gezieltes Ansprechen, durch persönliche Kontakte, durch Netzwerken. Einfach nur irgendwo initiativ eine Bewerbung hinzuschicken bedeutet, dass man einer von Dutzenden ist. Dann muss man natürlich das Glück haben, dass die eigenen Qualifikationen oder das Konterfei dem Gegenüber zufälligerweise besonders gut gefällt. Das ist ein Fischen mit einem sehr groben Netz. Ich würde diesen jungen Nachwuchskräften sehr empfehlen, sich mal im Freundes- oder auch im entfernteren Bekanntenkreis umzuhören, ob es jemand gibt, der oder die Kontakte zu einem Verlagshaus besitzt. Über diese Kontakte oder auch Kontakte von Kontakten ist es vielleicht möglich, dass man sich außer der Reihe irgendwo in einem halbstündigen Gespräch vorstellen darf. Auch das Speed-Meeting auf der Frankfurter Buchmesse ist eine ideale Situation, um sich einem Personalentscheider oder einer Personalentscheiderin schon mal vorstellen zu dürfen. Dies ist viel mehr als nur irgendwo eine schriftliche Bewerbung abzugeben, die dann auf einem Stapel mit zwanzig ähnlichen Bewerbungen liegt. Also die Suche nicht passiv angehen, sondern wirklich ganz aktiv mit dem Ziel, ein persönliches Gespräch führen zu können.

Haben Sie zum Schluss einen besonderen Bewerbungstipp, den Sie jungen Nachwuchskräften mit auf den Weg geben möchten?

Es gibt keinen Königsweg! Wenn es etwas gibt, das mehr Aussicht auf Erfolg hat, dann, die Suche nicht passiv anzugehen und zu meinen, man hätte mit dem Verschicken von hundert Bewerbungen seine Pflicht erfüllt. Das mag zwar auch zum Erfolg führen, weil im Moment die Arbeitsmarktsituation für junge Leute ganz gut ist, deutlich besser jedenfalls als vor drei oder vier Jahren. Aber um sich abzuheben und um die eigenen Chancen zu verbessern, ist es wichtig, bereits im Vorfeld in direkten persönlichen Kontakt zu kommen. Gerade auf dem großen Forum der Frankfurter Buchmesse, wo sehr viele Personalentscheider/innen anwesend sind, ergeben sich viele Möglichkeiten dazu, ob im Rahmen des Speed-Meetings oder durch die eigeninitiative Kontaktaufnahme. Ich glaube, wenn man hier hartnäckig genug ist, gelingt es einem oft, zumindest mal zehn Minuten Zeit zu bekommen, um das Gesicht hinzuhalten und zu sagen: „Ich möchte mich gerne bei Ihnen bewerben und wollte mich Ihnen schon mal vorstellen.“

Eine Bewerbung für das Speed-Meeting auf der Frankfurter Buchmesse am 13. Oktober 2012 ist noch bis einschließlich 16. September hier möglich.

Das Interview führte: Jessica Laaß

 

 

Link: www.agentur-doerrich.de/index.html

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert