Homo Ludens und das Lesen – Wie Verlage das Spiel fördern

Was versteht man unter Spielen? Oft denkt man direkt an Menschen im jungen Alter, an Freizeitbeschäftigungen und nicht ernstzunehmenden Zeitvertreib. Erst beim zweiten Gedanken fällt einem vielleicht das Erkunden und das Lernen durch Spielen ein. Dabei besitzt dieser Teil davon eine tiefere Bedeutung und ist Teil des Menschen. Bereits 1938 setzte sich der niederländische Kulturhistoriker Johan Huizinga mit diesem Thema auseinander. In seinem Buch „Homo Ludens: Vom Ursprung der Kultur im Spiel” formulierte er, dass man bei uns Menschen nicht nur das denkende (homo sapiens) und das arbeitende (homo faber) Wesen betrachten sollte, sondern auch den Menschen als Spieler- den Homo Ludens. Für ihn ist das Spiel nicht zwecklos. Er sieht es als eine zentrale Triebkraft von Kultur, Kreativität und Erkenntnis.

Aber wie kann man hier den Faden zu Verlagen ziehen? Das Lesen kann als Form des Spiels verstanden werden. Dabei haben Verlage die Möglichkeit, durch das Buch das Spiel zu gestalten, neu zu formen und zu fördern. Lesen ist unter dem Homo Ludens – Ansatz also nicht nur eine Möglichkeit zur Informationsaufnahme, sondern auch die spielerische Form des Entdeckens und Lernens.

Was bedeutet das Wort Spiel”?

In seinem Werk definiert Johan Huizingas das lateinische Wort Ludus” so:

„Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und dem Bewusstsein des ‚Andersseins‘ als das ‚gewöhnliche Leben.“ (Johan Huizinga, Homo Ludens. Vom Ursprung der Kultur im Spiel, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag, 25. Auflage 2017, S. 17).

Das Spiel wird also als eine freiwillige Handlung beschrieben, die nach selbst gewählten Regeln verläuft. Zeit und Raum sind begrenzt. Dabei soll hier keinesfalls das Leben nachgeahmt werden, das Spiel entsteht durch das eigenständige Denken.

Überträgt man diesen Gedanken auf das Lesen, so bestätigt die Definition die spielerischen Elemente. Leser*innen tauchen in die fiktionalen Welten der Bücher ein, folgen den Regeln des Erzählers und erleben das Gelesene, als wären sie mitten im Geschehen. Die Literatur erzeugt symbolische Räume, die dem Spiel sehr ähnlich sind – und oft direkt mit Lernprozessen verbunden sind.

Lernen durch Literatur – Lesen als Spiel

Besonders Bereiche der Kinder- und Jugendliteratur werden schon länger spielerisch gestaltet. Wimmelbilder, interaktive Elemente wie Klappen und Drehscheiben oder Klappbücher fördern die Lesefreude und Lernbereitschaft bei Kindern. Das Spiel mit den Sinnen, der Sprache und dem Bild ist wichtig für die Sprachentwicklung und das Erfassen narrativer Strukturen.

Aber auch die Sachliteratur und Bildung für Erwachsene gewinnt zunehmend an spielerischen Lernformen. Bücher, welche Quiz-Elemente enthalten, durch Geschichten Wissen vermitteln und neue Strukturen verwenden, setzen auf das Prinzip des Homo Ludens. Das Lernen geschieht hier durch Neugier, Entdeckungslust und Selbstmotivation – also spielerisch.

Verlage als Spielgestalter

Verlage spielen in diesem Kontext eine zentrale Rolle. Sie vermitteln durch ihre Produkte nicht nur Informationen, sie gestalten außerdem das Spiel und sein Umfeld. Indem sie neue Konzepte und Formate verwenden, stärken sie die Wahrnehmung, das Lesen als spielerische Aktivität und Wissensaufnahme zu sehen.

Verlage wie die Westermann Gruppe oder der Loewe Verlag machen es vor. Westermann zum Beispiel entwickelte das bekannte LÜK- System, ein spielerisches Lernkonzept, mit dem Kinder durch Selbstkontrolle ihre Lernerfolge überprüfen können. Angewendet wird das System bereits bei Kindern im Grundschulalter, aber auch in höheren Altersklassen kann das Wissen so spielerisch getestet werden. Des Weiteren werden bundesweite Leseförderprojekte durch die Westermann Gruppe veranstaltet. Besonders mit dem Arena Verlag, Westermanns Kinder- und Jugendbuchverlag, werden Schulen zu Lesungen der Autor*innen geladen. Fördern sollen diese Veranstaltungen die Kombination aus Bildung und entstehender Leselust.

Auch der Loewe-Verlag sticht hervor, und zwar durch seine interaktiven Lernhilfen. Durch Artikel wie die „Clever spielen“-Reihe werden Kinder im Vorschulalter motiviert, ihr Wissen unbeschwert zu erweitern. Durch Spiele wie Memory werden die Kinder animiert, ihre Konzentration und Merkfähigkeit zu verbessern. Aber auch zum auswendig lernen sind die richtigen Spiele enthalten.

Homo Ludens im Literaturbetrieb – das Fazit

Durch die Ergänzung dieser und ähnlicher Produkte in das Warenportfolio der Verlage sollen verschiedene Zielgruppen erreicht und der spezifische Nutzen dahinter unterstützt werden. Neben Vorschul- und Schulkindern sind die Zielgruppen auch Schüler*innen mit verschiedenen Lernvoraussetzungen, Pädagog*innen, Lehrkräfte und Erwachsene. Durch Verwendung des Homo Ludens-Konzepts schaffen Verlage nicht nur unterhaltsame Produkte, sondern fördern zugleich Bildung und Leselust. Der Ansatz eröffnet einen neuen Blick auf das Thema Lesen. Es soll als eine aktive, spielerische und kreative Handlung wahrgenommen werden, Leser*innen werden zu Mitspieler*innen und Texte werden zu neuen Welten. Erkennen Verlage das Potenzial der Idee und fangen an, dieses Konzept weiter in die Produkte einzubinden, so können sie damit nachhaltiger wirken, noch mehr Freude am Lesen fördern und die Bildung unterstützen. In einer Zeit, in der Aufmerksamkeit knapp und Bildung dringend gebraucht wird, könnte das Prinzip Homo Ludens ein Schlüssel sein zum Lesen, zum Lernen, und zu einer lebendigen, spielerischen Kultur

Was haltet ihr von der Idee des Homo Ludens? Und was passiert, wenn auch noch das Thema KI ins Spiel kommt? Schreibt es uns gerne in die Kommentare und bleibt gespannt, denn nächste Woche folgt der zweite Teil: “Homo Ludens trifft KI – Wie Künstliche Intelligenz das spielerische Lesen verändert”.

Autor*in: Emma Zoè Bähr

Lektorat: Sophia Bellmann

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