„TikTok made me buy it“ Wie BookTok die Branche verändert

Vom Nischenhashtag zum globalen Verkaufsfaktor: „BookTok“ zeigt, wie stark Social Media heute die Buchwelt prägt und traditionelle Vermarktungsstrategien der Branche auf den Kopf stellt. TikTok wird zur Plattform, auf der alle Beteiligten zusammenkommen: Verlage, Buchhandlungen, Autor*innen und vor allem Leser*innen. Quasi der klassische Buchclub – früher im eigenen Wohnzimmer, heute online und global vernetzt.

Doch was genau ist BookTok? Unter dem Hashtag „#booktok“ diskutieren Nutzer*innen auf der Social-Media-Plattform TikTok in kurzen Videoclips über neue und alte Bücher. Meist kommunizieren Leser*innen direkt mit anderen Leser*innen, was den Empfehlungen auf TikTok ein hohes Maß an Authentizität verleiht. Das Besondere: Der Inhalt steht im Vordergrund. Auch unbekannte Creator*innen haben auf TikTok die Möglichkeit, mit ihrer Meinung ein großes Publikum zu erreichen. Einige Verlage haben das Potenzial bereits erkannt und sind schon auf TikTok vertreten – darunter LYX, dtv oder Penguin.

Der Erfolg von BookTok spiegelt sich auch deutlich in den Verkaufszahlen wider. In einer Pressemitteilung teilte TikTok mit, dass im Jahr 2024 rund 25 Millionen BookTok-Bücher in Deutschland verkauft wurden – mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr. Das entspricht einem Wachstum von 108%. Auch die Einführung offizieller BookTok-Bestsellerlisten und dieVergabe von Booktok Awards verdeutlichen: TikTok ist längst mehr als ein kurzlebiger Trend  es hat sich zu einer nachhaltigen Bewegung entwickelt, auf die sich die Buchbranche einstellen muss.

Das Zusammenspiel von viralen Trends, emotionaler Ansprache und direktem Community-Feedback verändert nicht nur das Leseverhalten, sondern auch die Strategien der Verlage grundlegend und bietet Chancen.

Zum einen entsteht eine Verkaufsförderung verbunden mit der Reaktivierung von Backlist-Titeln. Booktok hat dazu beigetragen, dass ältere Titel wieder an Popularität gewinnen. Ein Beispiel ist „The Seven Husbands of Evelyn Hugo“, das durch Empfehlungen auf TikTok in 2021 erneut in den Fokus rückte. Seit den Zeiten von BookTok ist das kein Einzelfall mehr.

Außerdem hat sich Booktok als kraftvolles Instrument für authentisches Marketing in der Buchbranche etabliert. Im Gegensatz zu traditionellen Werbekampagnen entstehen viele der viralen Buchvorstellungen auf TikTok organisch. Für Verlage bedeutet dies eine Chance, ihre Bücher ohne große Werbebudgets einem breiten Publikum vorzustellen. Indem sie mit BookTok-Creator*innen zusammenarbeiten oder eigene Inhalte erstellen, können sie direkt mit der Community interagieren und diese stärken sowie die Sichtbarkeit ihrer Titel erhöhen.

Die Kombination aus direktem Dialog und Community-Aufbau bietet Verlagen auch die Möglichkeit, ihre Zielgruppen besser zu verstehen und langfristige Beziehungen aufzubauen, die über den einmaligen Buchkauf hinausgehen.

TikTok ist die Social-Media-Plattform der Generation Z. Rund 60% der Nutzer*innen sind unter 24 Jahren alt. BooktTok erweitert nämlich nicht nur den Zugang zur Literatur für junge Menschen, sondern verändert auch das Image des Lesens. Für Verlage eröffnet sich hier eine echte Chance: Sie können ihre Buchprogramme gezielt auf die junge Zielgruppe zuschneiden und Kommunikationsstrategien entwickeln, die zu ihrem digitalen Alltag und emotionalen Lesezugang passen.

BookTok verändert nicht nur, es fordert auch heraus. So dynamisch und reichweitenstark BookTok auch ist, die Plattform bringt für Verlage nicht nur Chancen, sondern auch erhebliche Herausforderungen mit sich: Der TikTok-Algorithmus entscheidet maßgeblich darüber, welche Inhalte sichtbar werden.

Für Verlage bedeutet das: Selbst hochwertige Bücher können im digitalen Rauschen untergehen, während andere durch Zufall viral gehen. Diese Unvorhersehbarkeit erschwert eine planbare Vermarktung.

Hinzu kommt, dass der Hype um bestimmte Bücher ebenso schnell in Kritik umschlagen kann. Kleine Fehler, wie etwa eine unerwartete Covergestaltung, können massive negative Reaktionen auslösen und das Image eines Verlages nachhaltig schädigen.

Außerdem fokussiert sich BookTok stark auf bestimmte Genres wie Romance und Fantasy. Andere literarische Werke aus weniger populären Genres erhalten weniger Aufmerksamkeit, was zu einer Marktverengung und einer Debatte über die literarische Vielfalt führt. Dieser Fokus auf Mainstream-Trends kann dazu führen, dass Werke von Autor*innen aus marginalisierten Gruppen übersehen werden, da es durch die Homogenisierung und Verflachung der Bücher für diese Stimmen schwer ist, Gehör zu finden.

All das zeigt: BookTok ist mehr als nur ein kurzlebiger Trend, es ist ein Ausdruck einer neuen Lesegewohnheit, Community-Dynamiken und emotionaler Buchvermittlung. Für Verlage bedeutet das: zuhören, mitgestalten und loslassen.

TikTok mag unberechenbar sein, aber wer heute Bücher verkaufen will, kommt an BookTok nicht mehr vorbei.

 

Autorin: Sara Strotmann

Lektorin: Charlotte Cieslewicz

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