Manga, Messe, Comic – Teil 2

tokyopop

In dieser und der kommenden Woche machen wir einen kleinen Exkurs in die Welt der Manga und Comics. Was bewegt sich dort? Wie sieht deren digitale Zukunft aus? Dazu haben wir auf der Leipziger Buchmesse 2015 ein Interview und ein Gespräche geführt. Wir haben uns mit Herrn Scharf von Tokyopop und Herrn Jachmann von Splitter getroffen und mit ihnen über die Messe, die Branche und die Entwicklung von Manga und Comic gesprochen.

In Teil zwei äußert sich Herr Scharf (Director Sales & Marketing) von Tokyopop über Anime, die Leipziger Messe und die Kooperation Comic!. Teil 3 wird in der nächsten Woche folgen.
Sollten Sie den ersten Teil überlesen haben, finden sie diesen hier.

Wie sieht es denn aus mit den Life Action Serien aus Japan und Korea? Warum sind die eigentlich nie in Deutschland angekommen?

Ich glaube, die hatten eine Zeit lang keinen besonders guten Ruf in der Szene. Aber zum Beispiel von Death Note gibt es eine, die soll sogar ganz gut sein. Ich glaube, dass wird auch vermehrt zu uns kommen. Wobei, das, was dort abläuft hat auch schon fast etwas von Manie.

Sie sind, ich nenne es mal, fleischgewordener Kapitalismus. Diese Idols, die auch in den Serien spielen, die werden direkt darauf hin perfekt vermarktet. Mit den Serien dazu, der Musik und so viel mehr drum herum. Zumindest Korea hat unglaubliche Subventionen direkt von der Regierungsebene, was das angeht. Die machen nicht Industrieexport, die machen Kulturexport, und das funktioniert in Asien sehr gut.

Ich glaube, dass da einfach Kulturen aufeinanderprallen.

Das wird es wahrscheinlich im Endeffekt sein.

Woran man das sehr gut sieht, ist der Sport Manga. Sportmanga sind in Japan ein Riesenthema, ob Fußball-, oder Radfahren. In Deutschland sind alle Versuche, die es dazu gab, gescheitert. Ich glaube, da gab es eine Fußballserie, die es geschafft hat.

Die Kickers.

Aber alle Manga sind gefloppt. So schlimm, wie man sich das nur vorstellen kann.  Da hast du zwei verschiedene Kulturen. Der Sportunterricht in Japan ist extrem auf Leistung und Sieg orientiert. Damit kommen wir nicht klar. Das ist zu weit weg. Deswegen ist es gefloppt. Und was diese ganze Popkultur aus Korea angeht, ich glaube da brauchen wir einfach noch ein bisschen. Es ist uns zu fremd. Wobei ich niemals sagen würde, es kommt nicht. Ich würde immer denken, dass es seine Zeit braucht. Und wenn man sich überlegt, dass Manga jetzt gerade so weit ist, dass es endlich positiv wahrgenommen wird, das ist nicht nur irgendetwas, wo man sagt, dieses Nischenprodukt und diese Nerds, die da rumlaufen, die sind alle irgendwie nicht ganz sauber. Davon sind wir jetzt endlich weg. Und der nächste Schritt ist das jetzt, glaube ich auch. Wenn wir uns im nächsten Jahr vielleicht hier wieder sehen würden, wird es wahrscheinlich schon wieder einen  großen Schritt weiter gegangen sein.

Ich bin auf alle Fälle gespannt. Definitiv macht es Amazon in Japan einem sehr leicht endlich mal Bücher auf Japanisch zu lesen

Ich finde Amazon toll. Ich finde es wahnsinnig, was sie gemacht haben. Es ist unheimlich bequem. Unsere Haltung zu Amazon ist immer, nur zu Konditionen und Bedingungen, die dem Buchhandel völlig gleich sind. Ich behandele euch nicht besser, weil ihr Amazon seid. Und wenn ihr nicht bereit seid, mit uns auf diesem Niveau zu arbeiten, dann lassen wir es. Das ist eine ganz einfache Rechnung. Wir haben gewisse Konditionen und Bedingungen mit denen wir mit dem Buchhandel arbeiten und bei uns steht einfach keiner schlechter oder besser da als der andere. Das ist nicht immer einfach, aber das ist der Punkt. Ich finde, dass Amazon grundsätzlich  ein tolles System ist. Es gibt natürlich Dinge zu hinterfragen, zum Beispiel, wie werden da Mitarbeiter behandelt,  aber wenn man das mal für sich raus rechnet und nur das System betrachtet: Du bestellst etwas und hast es am nächsten Tag. Egal, ob das ein Salzstreuer, Hundefutter, Rasierklingen, oder ein Buch ist. Wer kann das leisten? Der Buchhandel kann es leisten. Aber da musste  Amazon kommen und sie dazu zwingen das zu machen.

Vielleicht geben Sie uns noch ein Fazit zur Messe?

Es war für uns eine ganz tolle Messe, weil wir unheimlich viel Bestätigung kriegen. Das, was wir selbst seit Jahren predigen – Leute kommt zu uns, schaut euch Manga an, ihr könnt damit echt Umsatz machen, habt keine Angst davor – wird nun angenommen. Es ist ein bisschen aufwendiger in der Regalpflege und das war es schon. Jedem geht das Herz auf, wenn er sieht,  dass tausend Leute einen Stand stürmen. Das hat man nirgendwo anders. Ich bin nicht aus meiner Halle rausgekommen und fast nicht vom Stand weggekommen. Für uns war es eine super erfolgreiche Messe, gar nicht unbedingt wegen des Finanziellen, sondern weil wir einfach das Feedback kriegen. Weil wir plötzlich ankommen, auch eine Süddeutsche, oder eine FAZ  uns plötzlich ernster nehmen. Weil die ARD da steht und sich nicht über komische bunte Sachen lustig macht, sondern ganz ernsthaft die Sache angeht. Deswegen ist die Messe ein Riesenerfolg. Es gibt auch in der Halle ein paar Sachen, die ich nicht so gut finde. Es gibt zum Beispiel einige Händler, die sich unter drei verschiedenen Namen anmelden und dann hat man dreimal den gleichen Stand in der Halle. Darüber regen sich die wirklich qualitativ hochwertigen Händler unheimlich auf. Aber sonst nur positives Feedback. Es hat alles super funktioniert. Es ist immer einfach, wenn man auf dem aufsteigenden Ast ist, das so zu sehen. Es ist eine richtige Bestätigung für das, was wir gerade tun. Das kann man auch als Fazit nehmen. Für uns ist Leipzig immer der Start in die Convention- Saison, also wir werden das jetzt alle vier Wochen irgendwo durchmachen. Es ist eine ganz tolle Messe, unser Stand ist leer gekauft, wenn ich zurückkomme, würde ich tippen, dass von den zehntausend Büchern, die wir dabei hatten, vielleicht noch 500 am Stand liegen, es ist alles weg.

Nächstes Jahr mehr mitbringen?

Nein, das wollen wir gar nicht. Dann müssen wir am Schluss wieder tonnenweise zurück schaffen. Das ist ein gutes Level, das wir jetzt haben. Es gibt ein paar Punkte, wie gesagt, das mit diesen Händlern, aber da kann man der Messe keinen Vorwurf machen. Sie hat die Erfahrung nicht. Und es sind durchaus auch diese fliegenden Ramschhändler da. Und das ist für die, die wirklich Qualität anbieten, natürlich immer schwierig. Aber das wird sich nicht vermeiden lassen. Solche Dinge muss die Messe noch lernen, vor allen Dingen, weil diesmal die Händler ein bisschen unzufrieden sind. Und die sind ganz schnell wieder weg. Für uns Verlage ist es nicht das Ziel, hier wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Wir nutzen es als Repräsentationsfläche. Wir sind immer noch als klassischer Verlag da. Aber wenn die wichtigen Händler, die wirklich etwas hergeben, abspringen, dann hätte sich das Ganze überholt. Und dann kämen auch irgendwann die Fans nicht mehr, denn die wollen natürlich das Besondere.

Wird Tokyopop nächstes Jahr wieder in Kooperation mit Splitter und Cross Cult den Comic!– Stand fortführen?

Es ist so, dass nicht nur Manga momentan einen Hype hat, Comic erlebt momentan genau das Gleiche. Da haben wir uns gefragt, wie können wir eine Lobby für diesen Hype gründen? Wir haben uns die Internetseite comic.de gesichert, heißen jetzt praktisch Comic! und haben uns mit Splitter und Cross Cult zusammengetan. Wir haben noch ein Comic Label gegründet, das Popcom heißt. Kennt man noch von früher von der Pop Messe, aber das sind jetzt wir. Da geht es auch in erster Linie darum, dem Comic weiterzuhelfen. Denn wenn man in die Buchhandlung geht, ohne jetzt irgendetwas schlecht zu machen, ich lese die Titel auch alle, aber dort steht Asterix, Donald Duck, Tim und Struppi, ein bisschen Spirou und Gaston und das war es. Momentan noch The Walking Dead, der hat es mal geschafft. Aber das Comicprogramm ist so viel breiter und in den Comicbuchhandlungen läuft und läuft es. Dann haben wir drei unabhängigen Splitter, Cross Cult und Tokyopop, weil wir keine Konzernverlage sind, gesagt, tun wir uns zusammen, machen Comic. Aber es ist wirklich eine Lobby Geschichte um den Comic voranzubringen. Also auch darüber schreiben und alles Mögliche  machen, denn da gibt es riesen Chancen. Lieber Buchhandel, ihr habt da ein riesen Potenzial. Unsere Zusammenarbeit geht hin bis zur Entwicklung von Vertriebskonzepten, gemeinsamen Marketingaktionen, gemeinsamen Messeauftritten und Zeitschriften. Also wir orientieren uns da auch an Frankreich, wo es zum Beispiel Zeitschriften gibt, wo mehrere Comic Verlage ihre Sachen anteasern und mit veröffentlichen. Das ist der Hintergrund den wir haben und das hat bisher super funktioniert. Das ist der erste Comicstand auf der Manga- und Comic- Convention, was auch sehr lustig ist. Panini ist aber natürlich auch hier. Das wird auch weitergehen, da wird viel gearbeitet, es ist wirklich noch in den Kinderschuhen und es war erstmal wichtig diesen großen Auftritt hier hinzulegen. Die Internetseite steht. Jetzt wird das weiterentwickelt bis hin zu Vertriebskonzepten, die es  dem Handel einfacher machen sollen. Denn ein Meter Comic, das ist eine riesen Kapitalbindung. Ich könnte als Buchhändler auch zwei Reihen Taschenbüchern hinstellen. Aber die Comics verkaufen sich halt auch. Und da ist das, was mit Manga eigentlich schon passiert ist, dieser Erfolg, da stehen wir jetzt am Anfang mit Comic und wollen dort auch etwas bewegen. Comic.de versteht sich nicht als Vertriebsplattform der drei Verlage, die dabei sind, sondern als Comic Lobby Arbeit. Es geht uns wirklich um Comic. Wir wollen nicht die anderen verdrängen, sondern einfach versuchen, es breiter zu machen. Um wiederum Generationen zu begeistern. Ich bin praktisch mit Asterix aufgewachsen, da war es in der Hochphase. Danach gab es ein Loch was die Comicchronik anging. Aber ich bin jetzt wieder in dem Alter, wo ich es mir momentan leisten kann, Comic zu lesen. Meine Generation hat Kinder, die fangen jetzt, an Comics zu lesen. Die dürfen das. Zu meiner Zeit war Comic noch mit dem Stempel versehen, lies aber auch bitte etwas Vernünftiges. Und heute ist es in Ordnung. Und das versuchen wir einfach nochmal abzubilden und dem Buchhandel zu sagen, wenn ihr weniger Romane verkauft, dann stellt euch doch etwas anderes rein. Und das beste Beispiel ist Walking Dead. Das muss man einfach sagen, das Ding ist inzwischen im Buchhandel angekommen. Und davon gibt es viel mehr.

Die Leipziger Stadtbibliothek hat eine gute Graphic  Novel und Comic Abteilung. Da sitzt jemand der sich auskennt.

Graphic Novel ist schon etwas. Und das ist auch das Paradoxe. Comic ist eigentlich das Urgenre,  ist aber fast völlig verschwunden.

Da müsste man eigentlich auch diese Superheldenwelle, die es momentan im Kino und Fernsehen gibt, voll ausnutzen. Aber  -das passiert abseits von Marvel und zum kleineren Teil bei DC, gefühlt, eigentlich nicht wirklich.

Da muss der Buchhandel einfach noch ein bisschen überzeugt werden. Dort hat man immer Angst davor,  jemanden zu brauchen, der sich auskennt. Natürlich muss man sich darauf einlassen, wenn man Comic macht, aber es ist nicht so, dass man einen super Experten benötigt. Wir Verlage, wir stehen da, ruft uns an, wir reden mit euch,  wir erklären euch das. Wir als Tokyopop haben nun mal auch diese unglaubliche Manga Erfahrung. Die Comicsache steht genau vor der Herausforderung, vor der Manga vor zehn, zwölf Jahren stand. Einziger Unterschied ist, dass wir wirklich eine tolle Basis haben, auf die wir aufbauen können. Ich als Buchhändler würde mir mein Comicregal wieder rein stellen. Und wenn es in dieser Sägezahn Präsentation ist und wenn es Platz wegnimmt. Aber die Zielgruppe 30, 35, 40, die haben Geld, die kommen rein, nehmen ihr Buch mit und dann liegt da noch der schöne neue Roman und den nehmen sie auch noch mit. Und das ist letztendlich der Hintergrund zu comic.de.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führten Josephine Mitze und Marie-Therese Kirow
Autorinnen: Marie-Therese Kirow, Josephine Mitze

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