Asphaltkaries und Webseitenrheuma – Versuch einer Parabel

© Rainer Sturm via pixelino

Heute morgen, kurz vor sieben Uhr, berichtete der Deutschlandfunk in einem müßigen Feature über den desolaten Zustand der Straßen in unseren Städten und Gemeinden. Verkehrsminister Ramsauer wurde mit den folgenden Worten zitiert: man werde „zwei Milliarden Euro für die Ausbesserung der besonders schlimm betroffenen öffentlichen Verkehrwege zur Verfügung stellen,“ sei sich jedoch bewusst, „dass damit nicht alle Schäden zu beheben sind, sondern nach Priorität vorzugehen“ sei. Aha. Die nicht unbedeutende Summe von 2.000.000.000,00 Euro [davon könnten sich übrigens 41 Mio. Deutsche eine Monatskarte für den öffentlichen Nahverkehr kaufen] wird in die Ausbesserung priorisierter Schäden investiert, obwohl keine Korrosionsexperten zur Untersuchung der angeblich 20 Jahre haltbaren Verschleißdecke herangezogen werden müssen um festzustellen: das Flickwert ist … Flickwerk. Dazu genügt schon ein handelsüblicher Autofahrer, der mitsamt seinem Stoßdämpfer Opfer der sogenannten Asphaltkaries geworden ist. Hier beginnt die Parabel.

Wenn man eine neue Straße baute, so geschah das bis in die 70er Jahre unter anderem unter Verwendung von Teerverbindungen, die allerdings wegen ihrer karzinogenen Dämpfe aus dem Gebrauch der öffentlichen Hand gestrichen und durch Bitumen, ein Erdölabscheideprodukt ersetzt wurden. Verbindet man Bitumen in einem aufwändigen Prozess bei sehr hohen Temperaturen und unter fachmännischer Aufsicht mit Gesteinskörnungen, entsteht Asphalt, also der praktische, thermoplastische Straßenbelag mit dem trägen Reaktionsverhalten einer Planierraupe.

Je nach Verkehrslage, dem sogenannten Traffdic, ist es mehr oder weniger bedeutsam, die Straße in einwandfreiem Zustand zu halten, damit der Verkehrsteilnehmer seinem natürlichen Anliegen, dem zügigen Gelangen von A nach B, zum Beispiel von der Arbeit zur Buchhandlung möglichst gefahrlos nachkommen kann. Meist ist das vor allem nach langen, harten Wintern nur sehr schwer zu gewährleisten, denn die Substanz verliert an Wert, der Wartungsaufwand kann nicht selten nur mehr sporadisch betrieben werden und den Verantwortlichen fallen alle Sünden der letzten Jahre wieder ein. Haben wir nicht 2006 ein Shop- , Verzeihung, ein Verkehrsleitsystem integriert ohne uns zu Fragen, ob alle gesammelten Informationen über Verkehrsflüsse und Unfallschwerpunkte auch in einer sortierfähigen Datenbank landen? Und haben wir nicht im letzten Jahr einer Werbeagentur knapp 16.000 Euro gezahlt für einen rufpolierenden Imagefilm, den bisher schon knapp 400 Leute inklusive unserer 120 Mitarbeiter angeschaut haben, statt in tatsächliches Krisenmanagement zu investieren?* Hat uns nicht schon vor fünf Jahren jemand erzählt, dass es langfristig ökologisch, ökonomisch und sicherere Alternativen gibt? Haben wir uns nicht wider besseres Wissen für Stückwerk entschieden, haben unsere unbezahlten Praktikanten mit der Pflege teuer erstandener Maschinen beauftragt, etwa 15% unseres Gesamtetats für kurzgedachte Maßnahmen verwendet und schließlich darauf gehofft, dass wir nach dem nächsten Winter vielleicht schon irgendwo einen Beraterposten innehaben und uns nicht mehr mit unserem Geschwätz von gestern auseinandersetzen müssen? Auch in diesem Jahr werden etwa 2.000.000.000 Euro für erwiesenermaßen nutzlose Reparaturen ausgegeben, denn Fachleute wissen längst: eine einmal beschädigte Oberfläche kann nicht ausgebessert werden, da sich nachträglich eingebrachte Elemente nicht dauerhaft mit dem bereits vorhandenen Material verbinden lassen und dafür am Ende auch niemand verantwortlich gemacht werden kann. Baustelle heißt das dann, oder Fehler 404…

Mir fallen mindestens 5 Überschriften für Folgeartikel ein – „Verschlagwortung statt Verschlaglochung“, „Tag-Cloud statt Abgaswolke“, „User-Generated-Content, der Kreisverkehr im Verlagswesen“ – und ich habe große Lust, sie unter anderem dem Verkehrsministerium zu schicken.

*es handelt sich hier um ein erheiterndes Beispiel, das keinen Anspruch auf inhaltliche Richtigkeit hat.

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