Türchen #7 – noch 17 Tage bis Weihnachten

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Das Regal rechts neben der Pinnwand ist mit dem Wort „Krimi“ gekennzeichnet. „Ach wie gut, dass niemand weiß“ kann ich auf einem Buchrücken lesen, „Der Rattenfänger“ auf einem anderen. Ein zerlesenes Taschenbuch, in dem schon einige Seiten lose sind, nehme ich vorsichtig in die Hand. Weder Titel noch Autor kommen mir bekannt vor, aber ich blättere einfach mal hinein.
Kommissar Wilhelm Jakobson kippte den letzten Schluck kalten Kaffee hinunter und hockte sich neben die Leiche.

„Herzversagen?“, fragte er den Gerichtsmediziner.
„Wegen zu großer Hitze und Luftfeuchte, ja, infolge eines Kreislaufkollaps, aber das ist natürlich nur eine vorläufige Vermutung “, antwortete dieser.

„Todeszeitpunkt?“
„Das ist wegen der hohen Temperaturen hier im Raum schwer zu sagen. Es könnte schon länger als zwölf Stunden her sein.“
Jakobson brummte nur und erhob sich ächzend. Beamte der Spurensicherung schwärmten auf die Tote zu wie Fliegen, sobald er aus dem Weg war und sein Kollege folgte ihm aus dem Raum.
Jakobson wischte sich etwas Schweiß von der Stirn. Selbst nachdem der Raum gelüftet worden war herrschte noch immer eine Affenhitze da drin. Eine regelrechte Sauna. Er wollte sich nicht vorstellen, wie sich das erst für die junge Frau angefühlt haben musste, die dort offenbar eingeschlossen worden war.

„Wer hat die Frau gefunden?“
„Das Kindermädchen, Herr Kommissar. Sie war verwundert, als sie heute Morgen ihren Dienst begann und das Kind allein und weinend in seinem Bett fand “, sagte sein Kollege.

„Wo ist sie jetzt?“, fragte Jakobson.
„Gleich hier rechts, durch das Kaminzimmer“, sagte sein Kollege und eilte voran.
Das Kindermädchen war sichtlich verstört. Die Tasse Tee, die neben ihr auf dem Tisch stand, schien unangetastet. Eine Polizistin sprach leise und beruhigend auf sie ein.
„Kommissar Wilhelm Jakobson mein Name. Sie haben die Tote gefunden?“
Die Frau nickte nur und schnäuzte sich.

„Außer Ihnen war niemand im Haus?“
„Herr König ist auf Geschäftsreise und seine Frau hat allen Angestellten frei gegeben. Sie kommt aus einfachen Verhältnissen, wissen Sie? Ist ihr unangenehm, bedient zu werden. Nur ich und die Hebamme waren noch da, aber die ist gestern Abend gegen zehn gegangen “, erklärte die Frau, „nachdem sie Frau König noch eine Badewanne vollgelassen hatte.“

„Und Sie haben gestern Abend nichts Ungewöhnliches bemerkt?“, hakte Jakobson nach.
Die Frau schüttelte zuerst den Kopf, schien sich dann aber doch an etwas zu erinnern.
„Als ich gerade das Kind schlafen gelegt hatte, kam Frau König rein. Ich hab mich furchtbar erschreckt, weil ich sie gar nicht gehört hatte. Sie ging direkt zum Kinderbett, hat mich nicht angeschaut. Geflüstert hat sie dabei. ‚Wo ist mein Kind, wo ist mein Reh? Jetzt komm ich noch zweimal und dann _ _ _ _ _ _ _.‘ Richtig gruselig war das.“

Jakobson stutze: „Ihr Reh?“
Das Kindermädchen musste ein Kichern unterdrücken: „Ja, seltsames Haustier, oder? Ein zahmes Rehkitz. Das hatte sie schon, bevor sie und Herr König geheiratet haben. Es gehört praktisch mit zur Familie, darf überall hin.“

„Hatte Frau König irgendwelche Feinde?“, setzte Jakobson das übliche Protokoll fort.
„Nicht, dass ich wüsste. So eine herzensgute Frau, ich kann es mir nicht vorstellen.“
Das klingt schon interessant, aber ich lege das Buch vorerst wieder beiseite. Wie ich mich kenne, werde ich hier sowieso mit mindestens drei Büchern hinausgehen.

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