Ich blogge, also bin ich – Der Hype um Online-Tagebücher entwickelt sich zur Medienrevolution

Es soll einmal eine Zeit gegeben haben, in der sich Menschen über aktuelle Ereignisse morgens in der Zeitung, mittags im Radio oder abends vor dem Fernseher informierten. Die Informationsweitergabe war dabei nur jenen vergönnt, die sich Journalisten nannten und durch jahrelange Schule zur wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit erzogen wurden. Die Zeit in der wenige Medienmacher viele Menschen erreichten, scheint in der Ära von Social Media und Blogosphäre Schnee von vorgestern. Von Laura Becker

Julia ist 16 und interessiert sich für Mode. Auf ihrem eigenen Blog postet sie mehrmals täglich Fotos ihrer neuen Outfits, listet detailliert deren Herkunft auf und verlinkt diese dann mit sämtlichen Social-Media-Plattformen, die gerade auf dem Markt sind. Binnen Minuten erscheint ihr Konterfei auf facebook, twitter und Co. Binnen Stunden erhält Julia hunderte Likes und Kommentare. Binnen Tagen ist sie das neue Gesicht eines Online-Stores für Vintage-Mode.

Ohne großen Aufwand verbreiten sich Informationen im Internet mittlerweile als Selbstläufer. Jedem ist es möglich, ganz einfach zum Sender zu werden und eine breite Masse zu erreichen. Die Rückkopplungsquote der Leser ist dabei so hoch, dass sich jeder anerkannte Journalist einer Print-Veröffentlichung neidisch die Augen reiben müsste. Aber wie erklärt sich dieses Phänomen?

Blogs bieten etwas, wovon traditionelle Medienformen seit Jahren träumen: Persönlichkeit und Authentizität. Egal ob Schüler, Technik-Nerd oder Fashion-Victim, egal ob talentierter Schreiber oder engagierter Hobbyautor – Blogs haben ein Gesicht. Einem Tagebuch ähnelnd vermitteln Blogger nicht nur bloße Information, sondern gewähren ihren Lesern Einblicke in ihr Privatleben. Nicht allein das Geschriebene steht im Vordergrund, auch persönliche Interessen, Schwächen und Stärken des Bloggers kommen zum Ausdruck. Der Leser hat nach und nach das Gefühl, den Menschen hinter dem Blog wirklich zu kennen. Eine solche Beziehungsebene haben Print und TV in den vergangenen Jahren vergeblich versucht aufzubauen, scheiterten aber allzu oft an ihrer Glaubwürdigkeit. Erfolgreiche Blogs – und da gibt es einige – begrüßen dagegen fast täglich mehrere hunderttausend Leser. Auch die Industrie hat diesen Einfluss erkannt.

Julia erhält mittlerweile wöchentlich Gratissendungen verschiedenster Mode-Labels, mit der Absicht, sich möglichst unbemerkt den Weg von ihrem Kleiderschrank in die Portemonnaies der Leser zu bahnen.

Vielleicht dauert es gar nicht mehr lange und man erinnert sich an eine Zeit zurück, in der sich Menschen Informationen auf Blogs holten.

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