Neobooks – Konkurrenz oder Rettung des klassischen Verlagsmodells?

Selbstpublizierte Bücher werden nach wie vor von einigen Experten aus dem Verlags- und Literaturbetrieb kritisch beäugt. Sie befürchten eine Überschwemmung des Marktes mit „Schundliteratur“ und sehen die entsprechenden Veröffentlichungsplattformen als Wegbereiter des Untergangs qualitativ hochwertiger Literatur. Dennoch tauchen in den letzten Jahren immer mehr Autoren in den Bestsellerlisten auf, die nicht an einen Verlag gebunden sind. Als erstes erkannte die Verlagsgruppe Droemer Knaur dieses Potential und gründete die Plattform neobooks, die mittlerweile zu einem erfolgreichen Geschäftsmodell herangewachsen ist.

„Unter den Selfpublishern sind zahlreiche vielversprechende und überaus talentierte Autoren, die jedes Verlagsprogramm bereichern, aber über den klassischen Einsendeweg vielleicht nie Sichtbarkeit erlangt hätten“, sagt Juliane Reichwein, die neue Teamleiterin von neobooks. Bis heute wurden über neobooks bereits über 80 Titel akquiriert und sogar schon sechs Taschenbücher bei einem Verlag der Droemer Knaur-Gruppe von Autoren veröffentlicht, die über neobooks entdeckt wurden.

Nach der „Sichtbarkeit“, von der Juliane Reichwein spricht, streben viele Menschen: Der Wunsch nach der Veröffentlichung der eigenen Memoiren, Gedichte und Fantasiegeschichten ist groß. Früher blieb hier nur der Weg über sogenannte, teils ausbeuterische Druckkostenzuschussverlage. Mit der Welle des Selfpublishing ist dieses Modell überflüssig geworden, dennoch bestehen die Verlage weiter. Auf die Frage, ob neobooks diesen Verlagen den Garaus machen will, antwortet Juliane Reichwein: „Wir unterstützen unsere Community mit all unserem Branchenwissen und klären über ‚Stolpersteine‘ auf. Mit neobooks bieten wir eine echte Alternative, zeigen einen anderen Weg zur Publikation auf – damit dürften die Angebote diverser Häuser ganz für sich alleine sprechen.“ Hier noch einmal kurz die wichtigsten Informationen rund um diese Alternative:

Juliane Reichwein
Juliane Reichwein

 

Das Modell neobooks

Neobooks ist eine kostenlose Plattform für Selfpublisher, die 2010 von der Verlagsgruppe Droemer Knaur gegründet wurde. Die Besonderheit an dieser Plattform ist, dass der Autor die Möglichkeit auf einen Vertrag entweder bei einem Verlag der Droemer Knaur-Gruppe oder seit ein paar Monaten auch Rowohlt hat. Diesen Vertrag hat man als Autor dann in Aussicht, wenn ein Lektor den Titel als passend für sein Verlagsprogramm einstuft. Die Lektoren lesen die Top-Ten-Titel von der Website, auf  der die Lesercommunity die Bücher mit bis zu fünf Sternen bewerten kann.

Vorteile für den Autor, außer der Option auf einen Verlagsvertrag, bestehen in dem Autorenhonorar von 70%, der Listung in sämtlichen Verzeichnissen und dem selbst auswählbaren Preis. Zudem kann der Autor selbst über die Distributionskanäle seiner Titel entscheiden, benötigt nur geringe Computerkenntnisse und darf auch noch auf anderen Plattformen veröffentlichen.

Für den Verlag bietet dieses Modell den Vorteil, eventuell zukünftige Bestsellerautoren zu akquirieren und löst damit zumindest ein Stück weit das Problem der Masse an unaufgefordert eingesandten Manuskripten. Auch das Risiko für den Verlag wird dadurch gemindert, dass der Autor als Selfpublisher bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt und Erfahrung gesammelt hat.

Nachahmer in der Branche

Mittlerweile hat sich die erfolgreiche Idee von Droemer Knaur natürlich herumgesprochen und andere Verlage versuchen sich ebenfalls an Modellen, die die neue Möglichkeit nutzen sollen, noch unbekannte talentierte Autoren zu akquirieren. Das jüngste Beispiel ist die Kooperation von Bastei Lübbe mit der Plattform BookRix. Diese Zusammenarbeit funktioniert ganz nach dem Beispiel von neobooks: Auch hier haben die Selfpublisher die Chance auf einen Vertrag bei dem großen Kölner Belletristikverlag. Andere Beispiele für Nachahmer in der Branche wären Egmont mit Lyx Storyboard oder Oetinger mit Oetinger 34 (Wir berichteten darüber im Juni: https://www.verlagederzukunft.de/business-development-zeiten-der-digitalisierung-interview-mit-tea-herovic/). Kritik an solchen Modellen kommt nur von einigen Selfpublishern, die solche Modelle als „Trittbrettfahrer“ bezeichnen.

Eine hohe Bedeutung hat der Einstieg von Rowohlt im Mai in die Arbeit von neobooks. Der literarisch anspruchsvolle Verlag, der wie Droemer Knaur zur Holtzbrinck Verlagsgruppe gehört, zollt damit vor allem den Selfpublishern einen hohen Respekt. Auch Juliane Reichwein hebt diese Neuerung hervor: „Mit dem Rowohlt Verlag haben wir bereits einen starken und vertrauensvollen Partner gewonnen, der unser Akquiseprogramm bestärkt.“ Sie sieht neue Konkurrenz wie Bastei Lübbe mit BookRix nicht als große Bedrohung für den Erfolg ihrer Plattform: „Im Markt der Selfpublishing Plattformen behaupten wir uns bereits seit längerem gegen konkurrierende Unternehmen.“ Auf die Frage, in welche Richtung sich neobooks in den kommenden Jahren ausrichten wird, spricht sie die Optimierung des Services für Autor und Leser an. Schlussendlich nennt sie die Märkte anderer Länder „spannend“ und gibt zu, dass neobooks den „ein oder anderen Blick in die Welt“ riskiert. Vielleicht werden wir also bald sehen, wie das Projekt ausgeweitet wird und neobooks auch international auf Autorensuche geht.

Chancen erkennen und nutzen!

Mit der wachsenden Anerkennung sollten die Kritiker des Selfpublishing schnell verschwinden und die Verlage die Möglichkeit vereinfachter Akquise neuer Autoren nutzen – ein Aspekt, der erst neulich bei den Berliner Buchtagen auf der Konferenz „Selfpublishing – Bedrohung oder Chance für Verlage?“ diskutiert wurde. Das Problem der unaufgefordert eingesandten Manuskripte, die von den Lektoren gar nicht bearbeitet werden können, dürfte bald gelöst sein. Es ist der Buchbranche nur zu wünschen, dass bald noch weitere zukunftsfähige Projekte über neobooks hinaus entstehen, die vor Marktriesen wie Amazon und dessen angekündigten Verlagstätigkeiten bestehen können. Studien wie die Studie zum Stand des Self Publishing in Deutschland von Matthias Matting beweisen, dass die meisten Selfpublisher gerne bei einem Verlag veröffentlichen würden. Das ist eigentlich eine brillante und relativ risikoarme Möglichkeit für Verlage, bereits erfolgreiche Autoren aus den E-Book-Charts unter Vertrag zu stellen. Man sollte Selfpublishing nicht als Gefahr für Verlage begreifen, sondern als Chance, diese zu erhalten. Anstatt sich über Qualitätsverlust durch die Schwemme von selbstpublizierten Titeln zu beschweren und den guten alten Zeiten der hohen Literatur hinterher zu träumen, sollte man diese Möglichkeit ergreifen!

von Jana Kapfer

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