Offene Bibliotheken

offene Bibliotheken

Ein Phänomen, was sich nun schon in Europa und auch in Deutschland in einigen Städten etabliert hat und welches besondere Aufmerksamkeit verdient, ist das Prinzip der „offenen Bibliothek“. Darunter versteht man eine Anlaufstelle inmitten einer Stadt, wo Bücher ausgestellt werden. Die Installation sollte wetterfest sein, das heißt, die Bücher können in einer alten Telefonzelle oder einer eigens gebauten „Bücherunterkunft“ untergebracht werden. Doch der Unterschied zu einer normalen Bibliothek ist, dass es hier keine Regeln gibt. Man kann sich Bücher mitnehmen und man kann eigene Bücher hinterlassen. Man kann die ausgeliehenen Bücher auch zurückbringen, was jedoch keine Pflicht ist. So entsteht ein reger Austausch der verschiedensten Literatur.
Die Künstler Michael Clegg und Martin Guttmann begannen 1991 in Graz mit der Errichtung offener Bibliotheken, jedoch waren nach wenigen Monaten alle drei zerstört und ausgeraubt. 1993 folgten wiederum drei Installationen der Künstler in Hamburg, hier wurden die Bücher in zwei ehemaligen Stromverteilerkästen zugänglich gemacht. In Mainz kam es dann 1994 zu zwei Installationen, wovon eine bis heute gut gefüllt und intakt ist.
Weitere Projekte sind „der Bücherwald“ oder die „BücherboXX Gleis 17“ am S-Bahnhof Grunewald in Berlin. In Darmstadt gibt es zwei offene Bibliotheken, einmal im Johannesviertel und einmal in Bessungen. Weitere „offene Schränke“, „offene Telefonzellen“ und andere Bücherheimaten findet man auf http://www.tauschgnom.de/offene-buecherschraenke/.

 

Das Team des Literaturfestes „juli im juni“ will nun auch eine offene Bibliothek in Weimar ins Leben rufen.
Solveigh Patett, Projektleiterin, stand uns in einem Interview Rede und Antwort.

VdZu: Wie seid ihr auf die Idee gekommen, eine offene Bibliothek in Weimar ins Leben zu rufen?
Solveigh Patett: Ich hatte schon länger die Idee, einen offenen Bücherschrank in Weimar zu initiieren. Ich kenne das Konzept aus verschiedenen Städten, wie Hamburg und Frankfurt und es hat mich immer wieder sehr fasziniert, wie positiv das Angebot angenommen wird. Mittlerweile gibt es in sehr vielen Städten offene Bibliotheken, doch die literaturträchtige Stadt Weimar fehlte noch. Weimar wird viel mit Goethe und Schiller in Verbindung gebracht, sie ist aber auch eine Stadt, in der erste Schritte hin zu öffentlich zugänglichen Bibliotheken getan wurden. An diese Tradition möchten wir gerne anknüpfen.

VdZu: Wo wollt ihr die offene Bibliothek machen?
Solveigh Patett: Wir wollten die Bibliothek ursprünglich im Stadtzentrum errichten, in direkter Nähe zum ehemaligen Lesemuseum. Dies hat leider nicht funktioniert. Dafür haben wir mittlerweile eine ziemlich gute Alternative, nämlich die Other Music Academy (OMA) zwischen der Innenstadt und dem Bahnhof. Die OMA wird ein Zentrum für interkulturellen Dialog und gewaltfreies Lernen. In das Konzept des Vereins passt die Bibliothek gut rein. Außerdem liegt sie so noch zentral genug, um von vielen Menschen erreicht werden zu können.

VdZu: Wie wird sie aussehen?
Solveigh Patett: Wir arbeiten mit einem jungen Architekten, Florian Hoppe, aus Weimar zusammen, der uns einen besonders nachhaltigen und größtenteils recycelten Bau entworfen hat. Er greift die Struktur des alten Schulgebäudes, in dem die OMA sitzt, auf, sodass sich die Bibliothek gut in ihr Umfeld integriert. Gleichzeitig wird sie sich durch die Neuartigkeit sowie durch Glasscheiben, durch die man die Bücher sehen kann, hervorheben.

VdZu: Habt ihr schon einen Starttermin?
Solveigh Patett: Wir gehen davon aus, dass wir die Bibliothek im nächsten Frühjahr eröffnen können.

VdZu: Wie kommt ihr an die Bücher? Und welche Literatur sollte es sein?
Solveigh Patett: Wir haben schon total viele Bücher von Freunden und Bekannten bekommen. Sie warten ungeduldig darauf, getauscht zu werden. Wir werden also die Grundausstattung stellen und ab da sollen die Bücher aber eine Art Spiegel der Nutzenden sein. Wir möchten keine Bücher zensieren und uns das Urteil erlauben, ob etwas gute oder schlechte Literatur ist. Vielmehr soll eine Eigendynamik entstehen, durch die das Bild der Bibliothek natürlich geprägt wird.

VdZu: Gibt es Rahmenbedingungen?
Solveigh Patett: Nein. Jeder darf die Bibliothek nutzen. Man darf Bücher mitnehmen. Man darf Bücher reinstellen. Man darf beides gleichzeitig, nacheinander oder auch nur eins von beidem. Man hat jederzeit Zugang zur Bibliothek, zahlt keinerlei Gebühren und muss sich nirgendwo anmelden. Die Freiwilligen der OMA werden die Bibliothek pflegen und nach dem Rechten sehen. Aber auch wir werden uns darum mit kümmern.

VdZu: Gibt es Partnerschaften mit anderen offenen Bibliotheken?
Solveigh Patett: Nein. Das ist aber eine gute Idee. Man könnte mal darüber nachdenken, sich zu vernetzen und auf einer Deutschlandkarte die unterschiedlichen Standorte markieren.

VdZu: Vielen Dank an Solveigh Patett für das tolle Gespräch.
Solveigh Patett: Hier findet man auch schon eine Internetpräsenz zu dem geplanten Projekt:
http://www.juli-im-juni.de/offenebibliothek.html
Und auch das schöne Video zu der Idee möchten wir euch nicht vorenthalten, auch wenn der genannte Ort leider nicht mehr aktuell ist:

Offene Bibliothek Weimar from Leif Weitzel on Vimeo.

Gefällt euch die Idee? Das Projekt „juLi im juni“ freut sich über jedes einzelne „Gefällt mir“.

von Clara Zintel

Quellen und weiterführende Links:
http://www.juli-im-juni.de/offenebibliothek.html
http://www.offenebibliothek.de/
http://sophias-tales.livejournal.com/43108.html#cutid1
http://offsite.kulturserver-graz.at/projekte/242
http://www.buecher-wiki.de/index.php/BuecherWiki/OffeneBibliothek
http://www.tauschgnom.de/offene-buecherschraenke

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert